Alle Familienmitglieder, bis auf Rebecca Hirneise und ihre Mutter, benennen sich als praktizierende protestantische Christ:innen. Die unterschiedlichen Zugänge machen den Film lebendig und zeigen die Vielfalt im christlichen Glaubensleben. Rebecca Hirneise bezeichnet sich selbst als Agnostikerin und wuchs in einem evangelisch-methodistischen Umfeld in Baden-Württemberg auf. Die befragten Verwandten gehören Freikirchen und evangelischen Landeskirchen in Deutschland an. Von Kindheitstagen an begleitet Hirneise der christliche Glaube, sei es durch die Gespräche, das gemeinsame Singen in der Familie oder auch die Hobbies der Verwandtschaft. Im Film wird erwähnt, dass sich Onkel und Tanten meist in christlichen Communities kennengelernt haben. Besonders die Großeltern von Rebecca Hirneise haben es vermieden, Veranstaltungen außerhalb der christlichen Bubble zu besuchen.
Trotz des gemeinsamen Bekenntnisses zum Christentum, leben alle Protagonist:innen ihren Glauben sehr unterschiedlich. Ein Onkel schenkt Heilpraktiken Glauben, seine Frau hingegen nimmt Abstand von solchen Praktiken und lebt Glauben für sich persönlich. Eine Angehörige vertritt die Meinung, dass der Glaube entscheidend ist, um in den Himmel zu kommen, sollte dies nicht der Fall sein, so erwartet einen die Hölle. Ihr Mann entgegnete ihr, dass das Leben aus der Liebe entscheidend sei. Rebeccas Mutter empfindet es besonders wichtig, allen Menschen ihren Glauben zu lassen und keineswegs in einer Form zu missionieren.
Die kontroversen Perspektiven zeigen, dass der Glaube etwas sehr Individuelles ist und bei den Protagonist:innen stark mit der Erziehung und den eigenen Erfahrungen zusammenhängt. Im Film wird außerdem auf Verletzungen aufmerksam gemacht. Eine Tante von Frau Hirneise erzählt über die Einschränkungen in ihren jungen Jahren. Sie durfte nie tanzen oder ins Kino gehen.
Religion kann verbinden, jedoch auch spalten. Diese Ambivalenz wird im Familiengefüge von Hirneise sichtbar. Die Porträtaufnahmen schaffen einen persönlichen Rahmen und die Kamera übernimmt eine neutrale Rolle. In den Einzelinterviews versucht Rebecca Hirneise keine wertende Haltung einzunehmen, was für Zuschauer:innen Raum schafft und Offenheit zur Interpretation suggeriert.
Was ich faszinierend fand, dass trotz der unterschiedlichen Zugänge ein Gespräch möglich war und die Familie und mit ihren Ansichten und persönlichen Geschichten an die Öffentlichkeit trat. Das erfordert Mut, Offenheit und Engagement.
Der Film feierte am 24. Jänner 2025 Premiere.
Im Rahmen des Filmfrühstücks des Votivkinos am 26. Jänner 2025 durfte ich der Filmemacherin Rebecca Hirneise ein paar Fragen stellen:
Frau Hirneise, sie sind Regisseurin und eine der Protagonist:innen im Film. Fiel es Ihnen leicht in beide Rollen zu schlüpfen?
Nein, es war nicht leicht für mich, die Öffentlichkeit mit in den Familienraum zu nehmen. Ich habe aber gefunden, dass es viel Wert ist, wenn wir versuchen uns untereinander besser zu verstehen. Ein Film schafft da mehr Respekt und Konzentration im Gespräch und es ist sicher auf für andere Menschen/Familien hilfreich uns beim Versuch über Religion zu sprechen, zu beobachten. Mein Onkel meinte sogar, die Kamera sei hilfreich gewesen miteinander zu reden. Wie ein ein stiller Mediator.
Gab es ein prägendes Erlebnis während Filmdrehs?
Ja da gab es viele. Beispielsweise als ich mit meinem Onkel und meiner Tante über die Hölle geredet habe. Ich habe damit gar nicht gerechnet, aber auf einmal war alles sehr emotional für die beiden und dann auch für mich. Ich habe gemerkt, dass da bei den ihnen gerade etwas ganz Wichtiges verhandelt wird. Ich bin dankbar, dass ich an einem solchem Moment teilhaben durfte und ich verstehe nun tatsächlich mehr, dass, wenn man wirklich und wahrhaftig an die Hölle glaubt, man ja einfach den anderen nur retten will. Dennoch kann das für jemanden, der oder die eben nicht an einen (christlichen) Gott glaubt, sehr anstrengend sein. Als Agnostikerin ist es aber nun nachvollziehbarer geworden und es hat mich meiner Familie nähergebracht. Ich wünsche mir, dass wir noch viel mehr darüber diskutieren können und sehe unsere gemeinsame Zeit als einen ersten Annäherungsversuch von hoffentlich noch vielen.
Haben Sie nach der Auseinandersetzung mit dem Glauben ihrer Familie ein engeres Verhältnis?
Oh ja. Ich habe ihre Welten kennengelernt und das war für mich wirklich einzigartig und sehr wertvoll. Ich weiß nun wie es ihnen damit geht und wo sie vielleicht selbst auch an ihre Grenzen kommen, auch im Umgang miteinander. Davor waren sie alle nicht greifbar für mich und einfach nur Christen. Nun haben sie ganz viele Facetten, ich kann ihren Glauben viel realistischer und differenzierter betrachten und sie sind zu einem Teil von mir geworden. Zu meiner Familie.
Gab es bei der Gesprächsführung Regeln, an die sich Ihre Angehörigen halten sollten?
Ich bin ehrlich gesagt sehr naiv an diese ganze Sache herangegangen. Mir war überhaupt nicht klar, was da auf uns zukommt und auf was man da achten muss. Es ist ein Prozess gewesen. Grundregeln haben wir aber schon besprochen: dass wir einander ausreden lassen sollen, dass Pausen ok sind und man nicht immer sofort etwas sagen muss und solche Sachen. Im Vorfeld machte ich eine Übung mit meiner Familie, wie man gemeinsam eine Geschichte erzählt. Bei einer Gesprächsrunde habe ich beispielsweise mit Zetteln gearbeitet (Pro und Contra-Abfrage, Stellungnahme zu notierten Bibelzitaten).
Mit welchen drei Worten würden Sie den Film beschreiben?
Persönlich, zwischenmenschlich und nachdenklich.