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21. März 2025

Ein Trend, der sich in den letzten Jahren in meinen Augen verstärkt hat, ist die zunehmende Individualisierung. In vier Artikeln, in jedem Quartal einer, möchte ich meine Gedanken und Erfahrungen teilen. Beginnen möchte ich mit einem großen Fest. Wer jetzt vermutet, ich lade Gäste ein, und es kommt niemand, weil alle etwas besseres vorhaben, wäre auch möglich, ist aber ein Irrtum. Auf die Einladung zu der Grillerei im Garten ...

… wollen alle geladenen Gäste aller Altersgruppen kommen. Mein erstes großes Fest nach Corona.

So geht es mit den Zusagen los, eine Freundin, sie ist auf Grund ihrer Tierliebe jetzt Veganerin, schreibt: „Für mich brauchst aber keinen Aufwand betreiben, nimm einfach nur eine Packung vegane Würstel mit.“ Für einen anderen Gast brauche ich einfach nur Geflügelfleisch, dann soll ich wieder einfach nur kleine Frankfurter kaufen, weil das Kind einer Familie nur diese esse und wir sonst einen sehr ungemütlichen Tag hätten. Ein weiterer Veganer braucht einfach nur Gemüse und teilt so am Rande mit, das gegrillte Avocados ganz einfach in der Zubereitung seien und die nötigen Nährstoffe enthielten, die sein Körper benötige. Jemand erklärt, wegen einer biobalance Sache derzeit nur Produkte, die nie mit Gluten in Berührung gekommen sind, zu essen, aber die gäbe es ja einfach so im Supermarkt. Als nächstes brauche ich einfach nur laktosefreie Milchprodukte, aber keine vegane Milch, denn das sei ja keine Milch und furchtbar ungesund. Nach der Bitte ob ich meinen Kuchen einfach nur ohne raffinierten Zucker backen könne, folgte die Info einer Fruchtzuckerunverträglichkeit. So geht es mit der Wunschliste weiter, fast jede Zusage beginnt mit den Worten: Danke für die Einladung, für mich brauchst du einfach nur …“ Keiner der Gäste möchte Umstände machen. Meine Einkaufsliste wird immer länger und länger. Wie viel brauche ich jetzt von welchen Produkten, was bekomme ich in welchem Geschäft? Nach erfolgten Einkauf kommen noch zwei Zusagen.

Ein Freund, wie ich sehr auf regionale Produkte fixiert, freut sich wie immer sehr auf den Besuch am Land, denn er weiß, dass unsere Fleischerei noch vor Ort schlachtet und dabei nur Tiere aus der Umgebung kauft. Die nächste Person meldet sich, ob ich eh wieder die Milch direkt von den Kühen bekomme, in Wien kaufe sie auch immer im Unverpackt-Laden ein.

Ich freue mich sehr über die Zusagen und es stimmt, kein Gast ist anspruchsvoll, ich brauche für jeden einzelnen ja einfach nur auf eine Kleinigkeit Rücksicht nehmen. Meine Bekannten scheinen, wie das im Trend der Zeit steht, sehr um die Bewahrung unserer Schöpfung bemüht zu sein. Jede einzelne Person hat diesbezüglich ihre Vorstellungen.

Irgendwie gelingt mir die Zubereitung der Speisen nicht so wie gewohnt.

Beim Servieren von Kaffee, Tee und Kirschkuchen beginnen die ersten Diskussionen. Es geht um Fruchtzucker, die gefährlichen Kirschkerne, Milch und Nichtmilch los. So wird über Packungen, Transportwege, Aufspaltung des Zuckers, Verarbeitungsmethoden, Geschmackseigenschaften, Guarkernmehl, Gluten etc. gesprochen. Jedes Argument hat etwas für sich, aber die einzelnen Personen sind sehr davon überzeugt, dass ihre Position die (einzig) Richtige ist. So wird es teilweise richtig heftig. Ich blicke auf die Weide, wo meine bevorzugte Milch in ihrer natürlichen Packung herum rennt.

Der Kaffee selbst birgt die nächsten Diskussionen Ich habe, da ich selbst keinen trinke, für Gäste eine Pad-Maschine stehen, mit einer Sorte aus fairem Handel. Auf der Hollywoodschaukel sitzend beobachten wir, die eingeladen haben, das Geschehen und fühlen uns wie Statler und Waldorf aus der Muppetsshow. Noch schwieriger wird es, als wir die Grillschale anheizen, mit Holz aus eigenem Baum- und Strauchschnitt. Auch dazu gibt es viel pro und contra, gefolgt von den Anforderungen, wo die einzelnen Dinge mit oder ohne Alu auf den Grill dürfen (das Gott sei Dank eine Vegetarierin mitgebracht hat und wir alle auch umgehend vom Chemiker darauf hingewiesen wurden, wie umweltschädlich dessen Produktion ist). Jetzt fangen die beiden mit veganen Essenswünschen an, heftig um den „echten“ Veganer zu streiten. Das Ausgangsthema waren die in Plastik verpackten Würstel und die Avocado. Die Steakesserin mischt sich in das Gespräch und eint damit, als „Feind“ von außen, wenigstens die beiden anderen. Als es dann noch Tränen gibt, wegen des Geschmacks meines Erdäpfelsalates und die Info, das es doch nicht notwendig gewesen wäre, zwei Salate mit Erdäpfeln zu machen, und irgendetwas, das eine Person für sich bestellt hat, von einem „Allesesser“ verzehrt wurde, der angeblich so rücksichtslos gewesen sei, fühle ich mich endgültig wie im Kabarett. Die Aussage des ältesten Gastes: „Früher hätte es das nicht gegeben, das wäre man froh gewesen, wenn man eingeladen worden wäre und hätte gegessen, was auf den Tisch gekommen ist!, perfektioniert die Groteske.

Und so fällt mir, ganz aus dem Trend der Zeit fallend, ein altes Sprichwort ein: „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst die niemand kann.“

Wenigstens ist mein Wunsch aufgegangen alle wiederzusehen. Zum Essen geplant gehabt hätte ich ursprünglich: Würstel und Fleisch von unserer Fleischerei, Zucchini und Kürbis aus meinem Garten, den im allgemeinen sehr beliebten Erdäpfelsalat mit selbstgemachter Majonäse, unser selbstgebackenes Brot und dazu Kräuterbutter, Cocktailsauce mit Paradeisern und Tsatsiki.

Jetzt sitze ich da, mit einem Haufen an restlichen Lebensmitteln und habe keine Ahnung wie es den Menschen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis geht, was sie jetzt machen oder was sich in den letzten Jahren getan hat, denn für solche Gespräche blieb keine Zeit...
Glücklicherweise sind die Würstel auf Erbsenproteinbasis weg, denn ich vertrage keine Hülsenfrüchte. ;-)