Das sind drei Meinungen unserer Zeit. Es wäre ein leichtes, noch weitere Aussagen zu zitieren. Alle betreffen hier die evangelische Kirche in Österreich. Jeder und jede einzelne Evangelische hat eine eigene Ansicht. Jetzt könnte die erste Person der zweiten vorschlagen, sich doch umgemeinden zu lassen und mit der dritten überlegen (die derzeit nach den verwaltungstechnischen Regeln nicht mehr evangelisch ist – der Taufe nach aber eigentlich schon ...), ob es irgendwo eine passende Gemeinde für sie gibt.
Was aber, wenn in der ersten Pfarrgemeinde der Jugendmitarbeiter zum Studium in eine Stadt zieht, die Pfarrerin die Pfarrstelle wechselt? Auf einmal ist die Gemeinde nicht mehr so cool und bringt der Person plötzlich nichts mehr. Ist dann die Suche nach einer passenden Pfarrgemeinde nötig? Folgt dann der Austritt, weil kein zufriedenstellendes Programm mehr geboten wird?
Grundsätzlich ist das ein weiterer Trend der Zeit: „Ich bin Mitglied, wo es für mich passt und es mir gerade nützt. Wenn das nicht mehr so ist, oder irgendetwas nicht meinen Vorstellungen entspricht, dann tritt ich aus!“ Es ist in vielen Fällen auch nicht mehr nötig, dabei zu sein. Für eine Beerdigung oder das Patenamt oder weitere Amtshandlungen reicht es aus, wenn eine andere involvierte Person der Kirche angehört. Meistens findet sich irgendeine Geistlichkeit, die sich erbarmt. Und wenn nicht, geht es auch so: Eintreten, einmal zahlen, austreten.
Die „Nutzenorientierte Mitgliedschaft“ merken nicht nur Glaubensgemeinschaften, sondern auch Vereine. Solange Menschen oder deren Kinder im Schikader mitfahren, klettern gehen, Fussball spielen, bei der „Musi“ sind oder sonst eine Vereinstätigkeit aktiv ausüben, wird der Mitgliedsbeitrag bezahlt, wenn nicht, die Mitgliedschaft beendet. Nur mehr wenige Personen ermöglichen als unterstützende Mitglieder ihren Gruppierungen finanzielle Zuwendungen, auch wenn sie vermeintlich nichts mehr davon haben.
Häufige Gründe, irgendwo dabei zu sein, sind: „Bin ich zufrieden?“ „Was wird mir geboten?“ „Was habe ich davon?“
Ein weiterer wichtiger Punkt, egal bei welcher menschlichen Interaktion sind: „Die Anderen“. „Wer von meinen Leuten ist noch dort?“ „Passt mir die Person, welche die Gruppe leitet?“ „Hat jemand etwas gemacht, dass mir nicht zusagt?“
Dass jeder Verein, jede Gemeinde und somit auch deren Dachverbände (wenn wir von einer basisdemokratischen Organisation ausgehen), davon abhängen, wer dabei ist und wer sich einbringt, wird oftmals nicht bedacht.
Grundsätzlich sind Aussagen, wie: „Ich lebe ja schließlich nur einmal und das hier und im jetzt. Da muss es doch für mich passen!“ verständlich. Was, wenn die Menschen vor uns auch alle so gedacht hätten?
Aktive Mitglieder, unterstützende Mitglieder und mitarbeitende Mitglieder sind nötig, zusätzlich zu Spenden, um eine Organisation am Laufen zu halten. Ansonsten gibt es diese irgendwann nicht mehr. Eine Gemeinschaft besteht aus lauter Individuen, funktioniert aber nur, wenn im Sinne der Allgemeinheit gedacht und gehandelt wird. Das können wir bereits im ersten Brief des Paulus an die Korinther in Kapitel 12 lesen: Ein Leib, viele Glieder.
Etwas wieder neu aufzubauen ist in vielen Fällen nicht mehr oder nur sehr schwer möglich. Bei der Kinderturngruppe ist es leichter verkraftbar, solange der Ort noch eine Schule mit Turnsaal hat, kann diese wieder aufgenommen werden. Wenn allerdings die Freiwillige Feuerwehr ihre Ehrenamtlichen und ihre wirtschaftliche Grundlage verliert, wird es komplizierter. Ohne der Truppe aus dem Nachbarort, sofern diese nicht egoistisch nur an ihre Leute denkt oder einer viel teureren Berufsfeuerwehr wäre „Feuer am Dach“. Wie die Menschen, egal ob Mitglieder der Kirche oder nicht, reagieren, wenn aus ihrer Tauf-, Konfirmations-, Hochzeits- und andere Erinnerungskirche mitten im Ort ein Veranstaltungszentrum wird, ist noch einmal eine andere Sache.
Personen, die Verantwortung in der Gemeinde im Ehrenamt übernehmen, werden immer weniger. Die Gründe dafür mögen vielseitig sein. Manche nervt die Bürokratie von Datenschutz bis Finanzausgleich. Bei gewählten Ämtern ist die Angst, persönlich eine Niederlage zu bekommen, wenn mehrere Personen sich einer Wahl stellen, vorhanden. Die traditionelle Hausfrau, die sich gerne um Kuchen und Kaffee gekümmert hat, existiert faktisch nicht mehr. Zusätzliche Aufgaben sprengen die „work life balance“ der Menschen.
Jede und jeder kennt hier sicherlich viele Beispiele, auch aus der eigenen (ehemaligen?) Pfarrgemeinde.
Die Zeiten ändern uns. Ein Trend, der sich verstärkt, ist, im Hier und Jetzt für sich zu leben und nicht an die Auswirkungen auf andere oder die Zukunft zu denken.